Rat diskutiert über Namen für Gesamtschule
Bertolt Brecht ist als Namensgeber für die Integrierte Gesamtschule (IGS) nach wie vor umstritten. Der Rat der Stadt Seelze hat am Donnerstagabend eine Entscheidung über den Namen der geplanten Gesamtschule von der Tagesordnung genommen, sich dann aber doch zu einer Diskussion hinreißen lassen.
Seelze
Auslöser war ein Plädoyer von Realschulleiterin Regina Schlossarek-Aselmeyer, die sich als Leiterin der Planungsgruppe für die IGS und kommissarische Schulleiterin der IGS in der Einwohnerfragestunde erneut für Brecht als Namenspatron stark machte.
„Die Planungsgruppe hat einen klaren Auftrag“, sagte die Pädagogin. Der Betrieb müsse im August aufgenommen werden können. Bei den Vorbereitungen des pädagogischen Konzepts sei auch über den Namen der Schule intensiv diskutiert worden. Einstimmig sei dabei die Wahl auf Bertolt-Brecht-Gesamtschule gefallen. Brecht habe nicht nur unterhalten, sondern auch belehren wollen. Sein Werk sei künstlerisch bedeutsam, er selbst nie in einer Partei gewesen. Auch die Vertreter des Stadtelternrates hätten sich für Brecht als Namensgeber ausgesprochen.
Seine Fraktion unterstütze diesen Vorschlag, sagte Johannes Seifert (SPD). Es ginge um den künstlerischen Wert. Nicht zuletzt dürfe auch das Engagement der Planungsgruppe nicht einfach umgerissen werden. Fakt sei, dass sich für Brecht Lehrer und Schüler eingesetzt hätten. Gegen das künstlerische Werk von Brecht sei nichts zu sagen, meinte FDP-Fraktionschef Harald Temmler. „Aber der Mensch ist ganzheitlich zu sehen, die politische Einstellung ist zu beachten.“ Brecht habe dem Diktator Josef Stalin gehuldigt. Sein größter Fauxpas sei aber die Einschätzung des Aufstandes am 17. Juni 1953 in der DDR gewesen, bei dem Brecht den Arbeitern in den Rücken gefallen sei. „Solche Leute möchte man nicht zum Freund haben, dann braucht man keine Feinde mehr“, sagte Temmler.
Nachdenklicher zeigte sich dagegen der CDU-Fraktionsvorsitzende Jens Willms, der sich für das Engagement der Planungsgruppe bedankte. Schulträger sei die Stadt Seelze. Es gelte, herauszufinden, was alle Seelzer wollten – auch, wenn die Stadt nicht allen gerecht werden könne. „Wir werden noch einmal in uns gehen müssen“, sagte Willms. Die CDU habe Schlossarek-Aselmeyer deshalb eingelagen, obwohl die CDU-Fraktion mit „IGS Seelze auch einen schönen Vorschlag“ gemacht habe.
Die Planungsgruppe habe viel Herzblut investiert, sagte Tobias Harder (Die Linke). Brecht sei eine streitbare Person gewesen, mit der sich die Planungsgruppe beschäftigt habe. Schattenseiten ließen sich bei jedem Menschen finden. „Ich habe keine Kritik an dem pädagogischen Konzept gehört, warum kann man dann nicht auch den vorgeschlagenen Namen nehmen“, fragte Harder.
Das Bürgerforum lehne eine Benennung der Schule nach Brecht aufs Schärfste, sagte Harald Scupin. Brecht habe nach Stalins Tod ein Trauergedicht verfasst: Der Diktator wird darin als Verkörperung der Hoffnung der Unterdrückten beschrieben. Auch nach dem 17. Juni 1953 habe sich Brecht auf die Seite des SED-Regimes gestellt, verwies Scupin auf eine Ausarbeitung des Deutschen Bundestages zum Thema „Bertolt Brecht und sein Verhältnis zur Politik“ aus dem Jahr 2006.
„Schön, dass wir in einer Demokratie leben und diskutieren“, sagte Grünen-Fraktionschef Knut Werner. Die Grünen würden sich in der ersten Februarhälfte mit Regina Schlossarek-Aselmeyer treffen und über den Namen für die IGS sprechen.
Hannoversche Allgemeine Zeitung
Von Thomas Tschörner